Der starke Auftritt beim Spitzenreiter Bietigheim hatte den Handballern des HCOB Mut gemacht, zugleich aber auch Erwartungen in der Mannschaft und im Umfeld geschürt. „Der Druck war vielleicht größer, weil wir uns etwas ausgerechnet haben“, sagte Trainer Volker Blumenschein nach dem Spiel, in dem sich zeigte, dass ihm die Akteure in den weißen Trikots an diesem Abend nicht gewachsen waren. David Röhrig, der Coach der Lübecker, meinte hingegen: „Das hat uns vielleicht sogar in die Karten gespielt.“ Seine Mannschaft machte in der MURRTAL-ARENA den cooleren Eindruck. Mit fünf Spielen ohne Niederlage und zwei Auswärtssiegen im Rücken ließ es sich auch befreit aufspielen. Das Team aus dem Norden leistete sich deutlich weniger Fehler und belohnte sich letztlich für eine „sehr reife Leistung“.
Dabei agierte der etablierte Zweitligist aus Schleswig-Holstein sehr zielstrebig. „Wir haben uns sehr genau angeschaut, wie stark der HC Oppenweiler/Backnang in den vergangenen Wochen gespielt hat – sowohl auswärts als auch zu Hause“, sagte Röhrig. Er freute sich deshalb besonders darüber, wie sein Team verteidigte: „Wir wussten um die gute Wurfqualität des HC Oppenweiler/Backnang und haben das sehr gut unterbunden.“ Der Rückraum der Murrtaler kam über das gesamte Spiel nicht auf Touren; am ehesten setzte sich noch Timm Buck durch. Er war mit zehn Treffern der erfolgreichste Werfer der Heimmannschaft. Insgesamt gab es für das Heimteam aber viel zu wenige gute Torgelegenheiten und unbedrängte Würfe.
Und so setzten sich die Lübecker bereits im ersten Durchgang mit 15:11 ab. Dieser Zwischenstand ärgerte HCOB-Trainer Volker Blumenschein, denn die Auftaktminuten hatten ein besseres Abschneiden erhoffen lassen. „Wir sind vielversprechend ins Spiel gestartet und haben mit 4:2 geführt. Wir waren in der Abwehr präsent, haben unseren Torhüter Janis Boieck ins Spiel gebracht, hatten eine gute Körpersprache, waren da, der Kopf war oben, wir haben früh Zeitspiel provoziert – das war alles gut.“ Aber es war nicht von Dauer.
Eine kurze Schwächephase reichte aus, um die Mannschaft aus der Balance zu bringen. „Wir haben durch zwei, drei schlechte Aktionen im Angriff Bälle verloren, zum Beispiel durch Pässe über zwei Meter, die beim Gegner landen.“ Die bittere Konsequenz: „Da fressen wir Gegenstöße.“ Diese Phase habe gezeigt, „dass wir derzeit nicht sehr stabil sind, was die Psyche angeht. Wenn etwas schiefgeht, hadert sofort jeder.“ Diess wirkte hemmend, führte zu Verunsicherung und zu einer Spielweise, die von Fehlervermeidung statt von Entschlossenheit geprägt war.
Lübeck war in der Schlussphase des ersten Durchgangs hingegen im Flow, setzte sich ab und VfL-Coach David Röhrig fand, dass „unsere erste Halbzeit extrem stark“ war. Einzig die als zu hart empfundene rote Karte für Leon Ciudad Benitez nach einem Gesichtstreffer bei Timm Buck ärgerte die Gäste beim Seitenwechsel.
Im zweiten Durchgang kämpfte der HCOB um den Anschluss. Das gelang kurzzeitig, da die Lübecker nicht mehr so gut verteidigten. Die Gastgeber kamen auf 18:20 heran, als noch 22 Minuten auf der Uhr waren. Zu diesem Zeitpunkt war noch alles möglich: ein knapper Spielverlauf und sogar ein Heimsieg. Doch richtige Euphorie vermochten die Gastgeber nicht zu entfachen. Der Hauptgrund dafür war, dass auf gute Aktionen wieder Rückschläge folgten – und das nicht nur einmal, sondern gleich mehrmals. Fehlabgaben, Fehlwürfe und Konzentrationsschwächen kamen zur Unzeit, zudem fing sich der HCOB zwei Zeitstrafen wegen Wechselfehlern ein.
Lübecks Coach David Röhrig hingegen freute sich, dass die offensiv ausgelegte 6:0-Abwehr wieder griff. Die Handballer des HCOB „haben dann angefangen, vermeintlich einfachere Fehler zu machen, was lange Zeit überhaupt nicht der Fall war.“ Nun ermöglichten es sie den Gästen aus Lübeck, den Abstand zu wahren und nach rund 45 Minuten vollends davonzuziehen. Bei seinem Team erkannte der VfL-Trainer anhand des Spielverlaufs: „Wir haben uns gut entwickelt und die Mannschaft war in der Lage, noch einen Gang zuzulegen.“
Das konnte HCOB-Coach Volker Blumenschein von seiner Mannschaft nicht behaupten. Erst als die Partie nach dem 21:29 in der 49. Minute zu Ungunsten des Heimteams entschieden war, lief es offensiv wieder besser. Vor allem aber bemängelte der Coach das Defensivverhalten seiner Mannschaft: „Lübeck fährt heute ohne blaue Flecken nach Hause. Wir haben kaum ein Eins-gegen-Eins in der Abwehr gewonnen und nur selten durch gute Beinarbeit dagegengehalten.“ In der zweiten Halbzeit hatten die HCOB-Handballer vor allem mit dem dynamischen dänischen Linkshänder Lukas Emdorf große Probleme. Sie verteidigten viel zu wenig als geschlossener Verbund.
Am Ende stand eine ernüchternde Heimniederlage zu Buche. Ernüchternd vor allem deshalb, weil es den Handballern des HCOB nicht gelang, ihre zuletzt gezeigten Leistungen abzurufen. Coach Volker Blumenschein lobte die Gäste, „die es auf den Punkt gespielt haben“, und zeigte sich frustriert über das eigene Spiel: „Heute sind wir alle sehr unzufrieden mit dieser Leistung.“
Stimmen zum Spiel
HCOB-Trainer Volker Blumenschein: „Wir sind vielversprechend ins Spiel gestartet und haben mit 4:2 geführt. Es hat sich aber gezeigt, dass wir derzeit nicht sehr stabil sind, was die Psyche angeht. Wenn etwas schiefgeht, hadert jeder sofort. Vielleicht lag es daran, dass der Druck größer war, weil wir uns etwas ausgerechnet haben. Aber Pustekuchen! Das war eine sehr reife Leistung von Lübeck. Die haben es auf den Punkt gespielt. Wir haben im Angriff dagegen viel zu kompliziert gespielt. Heute sind wir alle sehr unzufrieden mit dieser Leistung.“
VfL-Trainer David Röhrig: „Ich bin wahnsinnig stolz auf die Leistung meiner Mannschaft. Wir wussten um die gute Wurfqualität des HC Oppenweiler/Backnang und haben das sehr gut unterbunden. Deshalb fand ich unsere erste Halbzeit extrem stark. In der zweiten Halbzeit haben wir in der Abwehr etwas nachgelassen, vor allem kurz nach der Pause. Da kann es wirklich ein bisschen kitzlig werden, aber dann merkt man, dass wir uns gut entwickelt haben und die Mannschaft in der Lage war, noch einen Gang zuzulegen. So bin ich extrem zufrieden mit unserem Auftritt.“
Rund ums Spiel
Für den HCOB wird der Weg zum Ligaverbleib härter – auch weil Rivale Eulen Ludwigshafen einen Sieg beim TuS Ferndorf landete. Die Rheinland-Pfälzer sind am kommenden Samstag der nächste Rivale des HCOB.
Der HCOB musste auf die Rückraumspieler Valentin Abt und Niklas Diebel verzichten. Die Gäste mussten ohne Magnus Holpert auskommen, auch er ist ein Rückraumspieler.




