Tabellenführer gegen Schlusslicht. Eine klare Sache? Nicht an diesem Abend. Da spielte der Underdog in der EgeTrans Arena bärenstark auf, hatte zeitweise mehr vom Spiel und war bis in die allerletzte Sekunde am Punktgewinn dran. Aber der Reihe nach: Die HCOB-Handballer begannen in der Abwehr mit Ruben Sousa, der erstmals nach langer Verletzungspause wieder im Kader stand. Gemeinsam mit Dominik Weiß bildete er den Innenblock. Zusammen mit ihren Mitspielern und dem aufmerksamen Torwart Janis Boieck hielten sie von Beginn an entschlossen dagegen. Die HCOB-Handballer gewannen viele Zweikämpfe und eroberten dadurch zahlreiche Bälle.
Die Gäste setzten gleich zu Beginn Nadelstiche durch Konter – das hatte man zu Beginn der Saison gar nicht gesehen, in Bietigheim war es richtig gut. Kurzzeitig führte der haushohe Favorit aus Bietigheim zwar mit 4:2, doch angetrieben von Timm Buck (acht Tore in der ersten Halbzeit) waren die Murrtaler schnell wieder dran. Nach einer Viertelstunde hätten sie längst in Führung liegen müssen, denn sie spielten sich zahlreiche erstklassige Torgelegenheiten heraus. Aber die Chancenverwertung war schlecht. Zu Beginn des Spiels vergaben die Außen Paul Krügele und Cedric Mayer jeweils zwei Hundertprozentige, indem sie ihre Aufsetzer zu kraftvoll ansetzten, sodass der Ball über die Latte flog.
Dann rückte zunehmend der Bietigheimer Torwart Jan Hrdlicka in den Vordergrund. Der tschechische Nationaltorwart war in dieser Phase die Lebensversicherung der Hausherren, die durchaus in Rückstand hätten geraten können. So lag der HCOB nur einmal für 13 Sekunden in Führung, nach dem 8:7 durch Ruben Sousa. Bietigheims Kreisläufer Jonathan Fischer glich jedoch umgehend aus.
Als das Heimteam nach einer Zeitstrafe für Ruben Sousa in Überzahl spielte und mit zwei Toren in Führung ging, trafen sich die HCOB-Handballer zur Auszeit an der Außenlinie. Die fruchtete. Erst setzte sich Timm Buck durch, dann wurde Außen Felix Klingler freigespielt und traf zum 10:10. Der Gleichstand hatte auch zur Pause Bestand (12:12), weil sich der großartig aufspielende Timm Buck bis dahin zwei weitere Male entschlossen durchgesetzt hatte und die Gäste mit der Sirene dann auch mal Glück hatten: Ein direkter Freiwurf von Tom Wolf ging an die Latte.
Das Unentschieden zur Halbzeit war verdient, die HCOB-Handballer hatten sich prima verkauft. Von den zahlreichen Schlachtenbummlern in grünen und weißen Trikots gab es beim Gang in die Kabine stehende Ovationen. Gleich nach dem Wiederanpfiff setzte es aus der gleichen Ecke wütende Proteste: Die Schiedsrichter stellten Timm Buck nach einem Foul an Nikola Vlahovic vom Platz. Ruckzuck zückten viele ihr Handy, schauten sich die Szene im Replay auf Dyn an – und schnell machte in der EgeTrans Arena das Wort „Fehlentscheidung“ die Runde. Eine mit gravierenden Auswirkungen: Der HCOB hatte seinen bis dahin überragenden Akteur verloren.
Und das machte sich auf dem Spielfeld bemerkbar. Die Bietigheimer hatten nun leichte Vorteile, während der Aufsteiger sich im Angriff schwertat. Das Trainerduo Volker Blumenschein und Tobias Klisch versuchte es mit einem siebten Feldspieler. Das funktionierte in einigen Szenen gut, führte aber auch zu Gegentreffern ins leere Tor. Als Nikola Vlahovic in der 51. Minute ein Empty-Net-Goal erzielte, lag der Favorit mit 25:21 vorn. Nun schien alles seinen Gang zu gehen.
Doch der Kampfgeist der Handballer des HCOB war ungebrochen. In der Schlussphase funktionierte die Abwehr richtig gut. Die Gäste gewannen Bälle. Vorne lief Nick Fröhlich zur Bestform auf. Die Gäste warfen vier Tore in Serie und glichen zum 25:25 aus. Bei Bietigheim übernahm der Jüngste Verantwortung: Alen Hadzimuhamedovic warf in höchster Zeitspielnot das 26:25 und verschaffte dem Favoriten wieder Luft.
Und trotzdem blieb der Punkt für die Handballer des HCOB immer greifbar. Nick Fröhlich verwandelte einen Siebenmeter zum 28:27. Auf der Gegenseite hielt die Abwehr stand und provozierte eine Fehlabgabe. Der Außenseiter hatte den letzten Angriff und die Chance zur Handball-Sensation. Doch der in Halbzeit zwei lange nicht mehr so präsente Keeper Jan Hrdlicka setzte den letzten Impuls. Er wehrte den Wurf von Malte Dederding ab – und rettete dem Favoriten mit dem Schlusspfiff den Sieg.
Beim HCOB war der Frust immens. Bärenstark gespielt, unglücklich um den besten Mann gebracht und dann mit dem letzten Wurf gescheitert – kurz nach Spielende überwogen Wut und Enttäuschung. Natürlich war es ein Schritt in die richtige Richtung, ein klares Zeichen, und trotzdem ärgerte sich Trainer Tobias Klisch sehr: „Handball ist eben ein Ergebnissport.“
Stimmen zum Spiel
Volker Blumenschein: „Normalerweise endet das Spiel unentschieden. Steht man hinten drin, kommt auch noch Pech dazu. Wir freuen uns nicht darüber, dass wir gut gespielt haben, sondern ärgern uns darüber, dass wir verloren haben. Timm Buck war bis zur roten Karte unser bester Spieler. Für mich war das eine Fehlentscheidung, die das Spiel stark beeinflusst hat.“
Tobias Klisch: „Wir sind stolz und sauer zugleich. Es ist ein Ergebnissport. Wir müssen die Wut und die Enttäuschung nun in Energie umwandeln.“
Rund ums Spiel
2471 verfolgten die Begegnung in der EgeTrans Arena: Damit haben die beiden Mannschaften und vor allem ihre Anhänger einen neuen Besucherrekord in der laufenden Zweitligasaison aufgestellt.
Der HCOB trifft am kommenden Samstag um 18 Uhr auf den VfL Lübeck-Schwartau.



