Ein Handballer mit einer solchen Spielweise habe dem Team noch gefehlt, sagte HCOB-Teammanager Jonas Frank, als der Wechsel des 24-Jährigen im Februar in trockenen Tüchern war. „Er hat einen unheimlichen Zug zum Tor“, sagte Frank – und verbindet dies mit der Hoffnung auf ein variableres Spiel aus dem Rückraum. Was sagt Tobias Gehrke selbst über seine Spielweise? Er greift die Vorlage auf. „So dynamisch wie möglich“ wolle er die gegnerischen Abwehrreihen unter Druck setzen. Mit eine Größe von 179 Zentimetern sei er gegen die in der Dritten Liga oft imposanten Abwehrreihen nicht der klassische Shooter aus der zweiten Reihe. Er will die gegnerischen Defensivreihe dafür mit hoher Geschwindigkeit ins Rotieren bringen. „Mir geht es darum, in der Abwehr einen zweiten Mann zu binden und dann meine Mitspieler einzusetzen“, erklärt Tobias Gehrke. Folgt der Pass im richtigen Moment, tut sich der Nebenmann beim Torwurf leichter. „Über ein Tor, das ich meinen Mitspielern vorbereitet habe, kann ich mich genauso freuen wie über ein eigenes.“ Das Spiel auf der zentralen Position auf Rückraum Mitte hat ihn seit seinen ersten Schritten als Jugendhandballer begleitet. „Aufgrund meiner Körpergröße wollten mich einige Trainer als Außen einsetzen“, erinnert sich der Sportler. Meist waren diese Ausflüge aber nur von kurzer Zeit. Tobias Gehrke übernahm wieder wesentliche Aufgaben in der Spielsteuerung.
Seine ersten handballerischen Schritte unternahm der Handballer bei Traditionsverein Frisch Auf Göppingen. Als 4-Jähriger stand er bei den Minis auf der Platte. „Schon mein Vater hat Handball gespielt. Die Minitrainerin war eine Bekannte. Und wir haben fußläufig zur Hohenstaufenhalle gewohnt.“ Faktoren, die den Weg vorzeichneten. Fußball war kurz eine Option, bis ins Alter von elf Jahren ging der Sportler auch ins Schwimmtraining. Dann setzte sich der Handball durch. Als Tobias Gehrke in die C-Jugend kam, gründete Frisch Auf das Nachwuchsleistungszentrum. Fortan ging es in der Nachwuchsarbeit professioneller zur Sache. „Da kamen Spieler von überall her“, die besten Talente aus einem großen Umkreis wechselten nach Göppingen. Tobias Gehrke behauptete seinen Platz. In der B-Jugend spielte er mit seinem Nachwuchsteam in der höchsten Liga, der Baden-Württemberg-Oberliga. Mit der A-Jugend kämpfte er um die Deutsche Meisterschaft. Tobias Gehrke kam als Handballspieler weit herum und spürte, dass er es selbst in höhere Spielklassen würde schaffen können. Der Nachwuchsmann rückte in den Bundesligakader auf. Er war in Hamburg und in Flensburg dabei. Und er durfte in der Hexenkessel Göppinger Arena einlaufen – dort, wo er als Kind hinter dem Tor mitgefiebert hatte. Tobias Gehrke sagt zwar, „dass ich mir deshalb jetzt nicht Bundesligaspieler auf die Visitenkarte drucken würde.“ Aber er sagt auch: „Das waren schon beeindruckende Erfahrungen.“
Parallel dazu wurde der frisch aus der A-Jugend entwachsene Nachwuchsmann mit einem Zweifachspielrecht für einen Verein aus der Dritten Liga ausgestattet. Zum damaligen Zeitpunkt musste er sich zwischen der SG H2Ku Herrenberg und dem TSB Horkheim entscheiden – und die Wahl fiel auf den Club aus dem Heilbronner Süden. Eine gute Entscheidung, wie Tobias Gehrke heute findet. Von Trainer Jochen Zürn habe er viel gelernt, und an der Seite des bundesligaerfahrenen Andreas Blodig konnte er ebenfalls viel fürs eigene Spiel mitnehmen. Nach und nach spielte sich der Handballer aus Göppingen selbst in den Vordergrund. Spätestens mit den Abschied von Andreas Blodig im Jahr 2018 war er an zentraler Stelle im Aufbauspiel gesetzt. „Das war ideal, um Führungsqualitäten zu übernehmen.“ Sportlich lief es rund, der TSB platzierte sich mit Tobias Gehrke kontinuierlich im Vorderfeld der Dritten Liga. Auch menschlich habe ihn die Zeit vorangebracht. „Als ich mit 19 nach Horkheim kam, kannte ich niemanden. In den fünf Jahren dort bin ich in vielen Facetten sehr gereift.“
Trotzdem war er nun bereit für eine Luftveränderung. „Viele Sachen waren zuletzt nicht mehr wie am Anfang“, sagt Tobias Gehrke. Einige Spieler, mit denen er sich besonders gut verstand, spielten nicht mehr im Team. „Und nach fünf Jahren in der immer gleichen Halle hat mich was Neues gereizt.“ Das Interesse des HC Oppenweiler/Backnang kam zur rechten Zeit. „Ich habe den Verein verfolgt, und man sieht, dass es nach oben geht; tabellarisch, aber auch vom Umfeld.“ Mit seinen ersten Eindrücken sieht er sich bestätigt. „Dass es mit den anderen Spielern charakterlich passt, kommt nicht überraschend. Wir kannten uns aus vielen Spielen.“ Sehr positiv ist er aber auch von den Leuten rund um das Team angetan. „Da wird man in allen Belangen hervorragend unterstützt.“ Deshalb sagt er schon jetzt: „Ich merke, wie gut mir der Wechsel getan hat.“
Nun ist die Hoffnung, dass der erste Eindruck auch von Dauer bleibt. Auch wenn man sich im Team über das gemeinsame Ziel noch Gedanken machen will, sieht Tobias Gehrke schon eine Tendenz: „Die grobe Marschrichtung sollte schon dahingehen, dass wir den sehr guten sechsten Platz wieder erreichen wollen oder sogar einen besser.“ Er selbst will „schnell erste Duftmarken setzen. Man soll schon sehen, dass ich nicht aus der A-Jugend komme und dass ich der Mannschaft helfen kann.“ Die ersten Testspiele in heimischer Umgebung steigerten den Appetit. „Es durften zwar nur wenige Zuschauer kommen. Trotzdem hat man auf Anhieb gemerkt, wie wichtig sie sind und wie schön es wieder war, vor Zuschauern zu spielen.“